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Weihrauch - Olibanum

Stammpflanzen: Arten der Gattung Boswellia ROXB. ex COLEBR / Weihrauchbaum [Fam. Burseraceae - Weihrauchgewächse], insb. Boswellia sacra FLUECK. (Synonym Boswellia carteri BIRDW.) und Boswellia serrata ROXB. ex COLEBR. (Synonym Boswellia glabra ROXB.), gelegentlich auch Boswellia frereana BIRDW. Dt. Synonyme: Oliwangummibaum, Weihrauchpflanze. Englisch: Boswellia sacra: frankincense, olibanum-tree; Boswellia serrata: boswellia, Indian frankincense, Indian olibanum-tree; Boswellia frereana: African elemi, elemi frankincense, yigaartree.

Botanische Beschreibung der Stammpflanze: Die Boswellia-Arten sind kleine, bis 6 m hohe Bäumchen, mit dünner, sich in papierartigen Schichten ablösender Rinde und unpaarig gefiederten, am Ende der Zweige zusammengedrängten Blättern. Boswellia sacra: Kleiner, 4 bis 5, seltener bis 6 m hoher, zierlich gewachsener Baum mit starkem Stamm. Jüngere Zweige mit glatter, blassbräunlich-gelber, in papierartigen, großen Stücken abblätternder Rinde, frische Triebe dicht bedeckt mit kurzen, gelben Haaren. Die unpaarig gefiederten, wechselständig angeordneten, 15 bis 25 cm langen Blätter sind entweder am Ende der Triebe dicht gedrängt und einen Blattbüschel bildend oder entfernt gestellt an den Schößlingen. Sie bestehen aus 7 bis 10 Paaren und einem endständigen Blättchen. Fiederblättchen gegenüberstehend, sitzend, von Grunde zur Spitze größer werdend, mit unregelmäßig gekerbt-gezähntem oder undeutlich gesägtem bis ganzem Rand. Die recht kleinen, radiärsymmetrischen Blüten stehen in einer lockeren Traube, die den Achseln der Blätter entspringt. Der Kelch ist becherförmig mit kegelförmigen Unterkelch und 5 dreieckigen, dünnen, am Rande gewimperten Abschnitten. Die 5 weißen oder cremartigen, fein geaderten Kronblätter sind etwa doppelt so lang wie die Kelchblätter. Staubgefäße 10, mit kurzem Staubfaden und orangefarbigen Staubbeuteln. Fruchtknoten auf dem Blütenboden sitzend, halb eingeschlossen von dem kurzen, glockigen Diskus, mit dickem Griffel und kopfförmiger, schwach dreilappiger Narbe. Kleine, bis 1 cm lange, verkehrt eiförmige, dreikantige Steinfrucht mit glatter, fleischiger Fruchtwand. Boswellia serrata: Mittelgroßer Baum mit flach ausgebreiteter Krone und ca. 1,2 cm dicker, grünlich aschfarbener Rinde, die sich in papierartigen dünnen, glatten Stückchen abschält. Blätter 9- bis 14paarig gefiedert, Fiederblättchen am Rande kerbig gesägten oder fast ganzrandig. Junge Triebe und Blätter mit einfachen Haaren besetzt. Boswellia frereana: Schlank wachsender, ca. 3 bis 10 m hoher Baum mit relativ dünnem Stamm und wenigen, in spitzem Winkel nach oben strebenden Ästen und ziemlich großen, breit-herzförmigen, kahlen, ganzrandigen, graugrün gefärbten Blättchen.

Verbreitung: Boswellia sacra: NO-Afrika: Somalia; Arabische Halbinsel: Oman, Jemen; Boswellia serrata: Indien: Provinzen Andhra Pradesh, Karnataka, Madhya Pradesh, Maharashtra, Punjab, Rajasthan, Tamil Nadu und Uttar Pradesh. Boswellia frereana: NO-Somalia.

Droge: Das nach Anschneiden der Rinde als milchweiße Emulsion ausgeflossene und an der Luft erhärtete Gummiharz.

Beschreibung der Droge: Weiß bestäubte, gelbliche, gelbrötliche oder bräunliche, wenig durchsichtige, erbsen- bis walnussgroße, fast kugelige, tränenförmige oder unregelmäßige Körner oder stalaktitenartige Massen. Leicht zerbrechlich, Bruchflächen muschelartig und wachsglänzend, kleine Bruchstücke durchsichtig und klar.

Geruch und Geschmack: Unbehandelt praktisch geruchlos. Der angenehme, aromatische Geruch entsteht erst beim Zerstreuen in der Glut. Beim Kauen erweichend und im Munde fast zerfließend mit aromatischen, bitterem Geschmack.

Synonyme Drogenbezeichnungen: Bei den Drogennamen wird oft der "Normale", überwiegend von Boswellia sacra stammende Weihrauch vom "Indischen Weihrauch" unterschieden, der von Boswellia serrata gewonnen wird. Weitere deutschsprachige Synonyme sind Gummi, Kirchenharz, Kirchenrauch und Weißer Wirk. Englisch: Gum olibanum, gum thus, incense, Indian Olibanum, true Frankincense. Lateinisch: Gummiresina Olibanum.

Herkunft: Gewonnen wird das Produkt von wild wachsenden Pflanzen. "Normaler" Weihrauch stammt aus Somalia, Südarabien und Äthiopien, Indischer Weihrauch aus Nord-Indien.

Gewinnung der Droge: Zur Drogengewinnung wird im Februar oder März und im monatlichen Abstand noch zweimal an 10 bis 30 Stellen von Stamm und dickeren Ästen die Rinde eingeschnitten. An den Wunden tritt ein milchweißer Saft aus, der alsbald zu Tropfen und Tränen erstarrt. Die qualitativ hochwertigere Droge wird vom Baum abgelöst, die minderwertigere von der Erde gesammelt.

Inhaltsstoffe: Ätherisches Öl: Gehalt 5 bis 9 %, Zusammensetzung abhängig von drogenliefernder Stammpflanze. Das ätherische Öl des von B. sacra stammenden Weihrauchs enthält überwiegend 1-Octylacetat und 1-Octanol sowie in geringer Menge Cembren, Incensol, Isocembren, Isoincensol und α-Pinen, wogegen im Öl aus B. serrata die Monoterpene (+)-α-Thujen, (+)-α-Phellandren und α-Pinen dominieren. Harz: Anteil ca. 50 bis 60 %. Die exakte Zusammensetzung ist ebenfalls abhängig von der jeweiligen Stammpflanze, dominierende Komponenten sind jedoch die Boswelliasäuren, bei denen es sich um penatazyklische Triterpene vom Oleanan- oder Ursan-Typ handelt. Hauptkomponenten sind Boswellinsäure [= α-Boswelliasäure: R1 = H, R2 = CH3 (= 3α-Hydroxyolean-12-en-24-säure) und ß-Boswelliasäure: R1 = CH3, R2 = H (= 3α-Hydroxyurs-12-en-24-säure)], ferner finden sich 11-α-Hydroxy-ß-boswelliasäure, 11-Keto-ß-boswelliasäure, 3-Acetyl-11-keto-ß-boswelliasäure sowie die nur in Weihrauch aus B. serrata vorkommende Seco-Verbindung 4(23)-Dihydroroburicsäure. Schleimstoffe: Gehaltsangaben schwankend von 6 bis 20 %. Als Monosaccharidbausteine wurden Galactose, Arabinose, 4-O-Methylglucuronsäure nachgewiesen.

Wirkungen: Antiphlogistisch, analgetisch, immunsuppressiv und antimikrobiell. Als wirksamer Bestandteil gelten die Boswelliasäuen und unter diesen vor allem 3-Acetyl-11-keto-ß-boswelliasäure. Boswelliasäuren hemmen selektiv die Lipoxygenase und damit die Biosynthese der Leukotriene. Die Cyclooxygenase wird nicht beeinflusst. Eine vermehrte Produktion an Leukotrienen ist für verschiedene chronisch-entzündliche Erkrankungen typisch, bei denen sie vermutlich für die Aufrechterhaltung der chronischen Entzündung verantwortlich sind. Alkoholische Extrakte aus Weihrauch erwiesen sich sowohl im Tierversuch als auch in klinischen Versuchen am Menschen als wirksam bei der Behandlung von chronischen Entzündungen. Im Tierversuch war die Wirksamkeit von 100 mg Extrakt vergleichbar mit der Wirksamkeit von 100 mg des nicht steroidalen Antirheumatikums Phenylbutazon. Bei Patienten mit chronischer Polyarthritis wurde in 60 bis 70 % der Fälle ein Rückgang von Schmerzen, Schwellungen und Gelenksteifigkeit beobachtet. Bei Patienten mit Colitis ulcerosa trat in 80 % der Fälle eine Remission auf, was ebenfalls den Erfolgen der Standardtherapie entspricht. Bei Patienten mit Asthma bronchiale trat bei 70 % der behandelten Patienten eine gegenüber der Kontrollgruppe signifikante Verbesserung der Krankheitssituation auf, bei Morbus Crohn entsprach die Wirksamkeit eines Produktes aus Weihrauch der des Standardpräparats Mesalazin und bei Patienten mit Hirntumoren konnte das Volumen des peritumorales Hirnödems um durchschnittlich ein Drittel reduziert werden. Darüber hinaus bewirken α- und ß-Boswelliasäure eine Hemmung des Komplementsystems, der Topoisomerasen I und II sowie der menschlichen Leukozytenelastase. Das mittels Wasserdampfdestillation aus dem Gummiharz von Boswellia carteri gewonnene ätherische Öl führte im Agar-Diffusionstest zu einer Hemmung der Mikroorganismen Bacillus subtilis, Escherichia coli, Mycobacterium phlei, Neisseria catarrhalis, Sarcina lutea und Staphylococcus aureus. Das Wachstum von Pseudomonas aeruginosa und Candida albicans wurde demgegenüber nicht beeinflusst.

Anwendungsgebiete: Adjuvant bei chronischer Polyarthritis, Remissionsbehandlung bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn. Die oben beschriebenen Ergebnisse pharmakologischer Untersuchungen und klinischer Studien wurden von den deutschen Zulassungsbehörden bislang noch nicht als ausreichend anerkannt, so dass derzeit keine Weihrauchpräparate auf dem deutschen Markt erhältlich sind.

Volkstümliche Anwendungsgebiete: In der Volksheilkunde Ostafrikas bei Bilharziose, Syphilis, Magenleiden und zu geringer Harnausscheidung, in Europa bei Katarrhen, Heiserkeit und Entzündungen der Rachenschleimhaut sowie äußerlich als Salbe oder Pflaster bei Abszessen. Für Indischen Weihrauch existieren in der indischen Volkmedizin vielfältige Anwendungsgebiete. Im Vordergrund steht der Gebrauch bei verschiedenen Formen der Arthritis, insbesondere der rheumatoiden Arthritis. Weiterhin wird die Droge innerlich u. a. bei Erkrankungen der Atemwege als Expektorans sowie bei chronischen Fällen von Diarrhöe und Dyspepsie und äußerlich als Adstringens bei chronischen Geschwüren und Knochenerkrankungen, bei Atemwegsbeschwerden, Befall mit Soor und zur Förderung des Haarwuchses verwendet. Darüber hinaus existieren noch eine Reihe von Indikationen in der Ayurveda-Medizin. Zu diesen zählen u. a. Blutkrankheiten, Hautkrankheiten, Diabetes, Fieber, Krämpfe, wunde Stellen im Mund und Ausfluss aus der Vagina. Aus den Ergebnissen der pharmakologischen Untersuchungen und klinischen Studien lässt sich eine Wirksamkeit bei entzündlichen Erkrankungen ableiten. Für die übrigen Indikationsgebiete fehlen jegliche Wirksamkeitsnachweise.

Gegenanzeigen: Keine bekannt.

Unerwünschte Wirkungen: In seltenen Fällen können Magen-Darm-Beschwerden und allergische Reaktionen auftreten. In kürzlich publizierten Ergebnissen zur Bestimmung der Bioverfügbarkeit eines Extrakts aus Boswellia serrata wurden unerwünschte Wirkungen bei keiner der 12 Versuchspersonen beobachtet.

Wechselwirkungen mit anderen Mitteln: Keine bekannt.

Dosierung und Art der Anwendung: Zur erfolgreichen Anwendung bei chronischer Polyarthritis, Colitis ulcerosa und Morbus Crohn müssen unter standardisierten Bedingungen hergestellte Präparate verwendet werden, die einen exakt definierten Gehalt an Boswelliasäuren enthalten. Derartige Präparate sind in Deutschland nicht zugelassen, können jedoch mit ärztlichem Privatrezept von Apotheken importiert werden.

Sonstige Verwendung: Den größten Bekanntheitsgrad besitzt Weihrauch aufgrund seiner Verwendung als Räuchermittel in Kirchen, Klostern und Tempeln. In gleicher Weise wird die Droge zuweilen auch im Haushalt verwendet. Ferner nutzt man das aus Weihrauch gewonnene ätherische Öl in der Parfümindustrie.


Bilder:
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Der bis 6 m hohe (Echte) Weihrauchbaum besitzt bis 25 cm lange, mehrfach gefiederter Blätter mit unregelmäßig gekerbt-gezähntem oder undeutlich gesägtem bis ganzem Rand. Typisch ist der dicke Ring, der sich unterhalb der Blätter befindet. Dieser besteht aus den zusammengeklebten Resten der Stiele der Blätter der vorhergehenden Jahres (s. Abbildung links). Auffallendes Blütenmerkmal ist der sehr große, dicke und hervortretende Diskus, der einen runden, rosenroten weiten Kelch bildet (s. Detail Nr. 3 in der Abbildung links). Die recht unterschiedlich geformte Droge ist gelblich bis bräunlich gefärbt mit meist weiß bestäubter Oberfläche (s. Abbildung rechts oben und rechts unten).

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Literatur: Hager-ROM 2003, Springer-Verlag; Hänsel R, Sticher O, Steinegger E, Pharmakognosie - Phytopharmazie, Springer Verlag, Berlin Heidelberg 1999; Marzell H, Wörterbuch der Deutschen Pflanzennamen, Verlag S. Hirzel, Leipzig 1943; Meyer EA, Pflanzliche Antirheumatika als Alternative, Naturheilpraxis 2003, H. 7, S. 937-941; Pabst G, Köhler's Medizinal-Pflanzen, Band II, Verlag Fr. Eugen Köhler, Gera-Untermhaus 1888; Schilcher H, Kammerer S, Leitfaden Phytotherapie, Urban & Fischer, München Jena 2003; USDA, ARS, National Genetic Resources Program. Germplasm Resources Information Network - (GRIN) [Online Database]; van Wyk BE, Wink C, Wink M, Handbuch der Arzneipflanzen, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2004; Wichtl M (Hrsg.), Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2002.


© Thomas Schöpke