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Melissenblätter - Melissae folium [Ph. Eur. 7.0 (01/2011:1447)]

Stammpflanze: Melissa officinalis L. / Zitronenmelisse [Fam. Lamiaceae / Lippenblütengewächse]. Synonyme: Melissa altissima SM. in SIBTH. et SM., Melissa graveolens HOST, Thymus melissa E.H.L. KRAUSE. Dt. Synonyme: Citronelle, Herzkraut, Melisse. Englisch: Balm, bee balm, lemon balm.

Artgliederung: Zwei Unterarten, ssp. altissima (SIBTH. et SM.) ARCANG. hochwüchsig und mit unangenehmen Geruch, ssp. officinalis zitronenartig riechend. Letztere ist identisch mit der als Form abgegrenzten M. officinalis f. officinalis (L.) BRIQ. Neben dieser noch 3 weitere Formen, die als Drogenlieferanten wenig bedeutungsvoll sind.

Botanische Beschreibung der Stammpflanze: Pflanze bis fast 1 m hoch werdend, mit aufrechtem, verzweigten, kaum behaarten Stengel. Blattform ähnlich den Nesseln (Brennnessel, Taubnessel), mit Stiel und bis 6 (8) cm langer und 5 cm breiter, grob kerbig gesägter Spreite. Kelch zweilippig mit röhrig-glockiger Form, 7 bis 9 mm lang, mit 3zähniger Oberlippe und etwa halb so langer, begrannter Unterlippe. Krone 8 bis 15 mm lang, weiß (variierend von schwach gelblich-weiß über bläulich-weiß bis bleichlila), mit mehr oder weniger gleichlanger Ober- und Unterlippe. Staubblätter 4, Klausenfrüchte bis 2 mm lang, im reifen Zustand kastanienbraun. Blütezeit 6-8.

Verbreitung: Heimisch im östlichen Mittelmeergebiet und in Westasien. In Mitteleuropa vielfach kultiviert und auch verwildert.

Droge: Die getrockneten Laubblätter, die bezogen auf die getrocknete Droge einen Mindestgehalt an Rosmarinsäure von 1,0 %  aufweisen.

Beschreibung der Droge: Stiel mehr oder weniger lang. Blattspreite dünn, oval, herzförmig, bis 8 cm lang und 5 cm breit, auf der Unterseite mit deutlich sichtbarer, hervortretender, netzartiger Nervatur. Blattrand grob gezähnt oder gekerbt. Blattoberseite kräftig grün, Unterseite heller gefärbt. (Siehe Foto).

Geruch und Geschmack: Geruch und Geschmack aromatisch und schwach würzig, zitronenartig.

Synonyme Drogenbezeichnungen: Deutsch: Frauenkraut, Herzkraut, Zitronenkraut, Zitronenmelisse. Englisch: Balm gentle, balm leaves, balmmint, honey plant, lemon balm, sweet balm. Lateinisch: Folia Melissae.

Herkunft: Aus dem Anbau in Thüringen und Sachsen-Anhalt sowie aus Bulgarien und Rumänien.

Inhaltsstoffe: Wertbestimmender Bestandteil und Träger des charakteristischen Geruchs und Geschmacks ist das ätherische Öl, welches zu etwa 0,02 bis 0,8 % % enthalten ist. Dieses besteht sowohl aus Mono- als auch aus Sesquiterpenen. Für den zitronenartigen Geruchs sind hauptsächlich die Monoterpenaldehyde Citronellal, Geranial (auch bezeichnet als Citral a) und Neral (= Citral b) verantwortlich. Der Gehalt an Citral beträgt im Durchschnitt gut 50 % (Summe Citral a und b), der an Citronellal unterliegt je nach Herkunft des Drogenmaterials erheblichen Schwankungen (z. B. 3,20 % bei aus Dänemark stammender Droge, 6,80 % bei Droge spanischer und 11,47 bzw. 30,68 % bei Droge deutscher Herkunft). Weitere nennenswerte Bestandteile des ätherischen Öls sind Geraniol, Geranylacetat, Linalool, α-Copaen, ß-Caryophyllen, Caryophyllenepoxid und Germacren D. Neben den als Bestandteile des ätherischen Öls vorkommenden Verbindungen enthält die Droge auch nichtflüchtige Monoterpenglykoside sowie Glykoside von in freier Form ebenfalls flüchtigen, niedrigen Alkoholen. Weitere therapeutisch bedeutungsvolle Inhaltsstoffe sind die Phenolcarbonsäuren Rosmarinsäure, Chlorogensäure, Kaffeesäure, p-Cumarsäure und Ferulasäure.

Wirkungen: Bei innerlicher Anwendung beruhigend und karminativ. Ebenfalls als erwiesen gilt die antivirale Wirksamkeit.

Anwendungsgebiete: Innerlich angewendet bei nervös bedingten Einschlafstörungen und funktionelle Magen-Darm-Beschwerden. Standardisierte Extrakte äußerlich in Salbenform zur Behandlung von Infektionen durch Herpes-simplex-Viren.

Volkstümliche Anwendungsgebiete: Bei Nervenleiden, Nervenschwäche, nervös bedingten Unterleibs-, Zahn-, Ohren-, Kopf- und Magenleiden, Magenkrämpfen und Erbrechen sowie gegen Hysterie und Melancholie. Auch zur Steigerung der Gallensekretion. In anderen Regionen Europas auch bei Rheuma, Nervenschmerzen und als Umschlag bei steifem Nacken. Die Wirksamkeit bei diesen Anwendungsgebieten wurde bisher nicht bewiesen.

Gegenanzeigen: Nicht bekannt.

Unerwünschte Wirkungen: Nicht bekannt.

Wechselwirkungen mit anderen Mitteln: Nicht bekannt. Kombinationen mit anderen beruhigend und/oder karminativ wirksamen Drogen können sinnvoll sein.

Dosierung und Art der Anwendung: In Form der geschnittenen Droge, des Drogenpulvers, als Flüssig- oder Trockenextrakt zur Bereitung von Aufgüssen und anderen galenischen Zubereitungen. Flüssige und feste Darreichungsformen zur innerlichen und äußerlichen Anwendung. Soweit nicht anders verordnet 1,5 - 4,5 g Droge auf eine Tasse als Aufguss mehrmals täglich nach Bedarf. Zur Teebereitung wird die Droge mit kochendem Wasser übergossen und nach 5 bis 10 min durch ein Teesieb gegeben.

Sonstige Verwendung: Die frischen Blätter im Haushalt als Gewürz in Salaten und Soßen.


Bilder:
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Melissa officinalis: Die Pflanze erreicht eine Höhe von fast einem Meter und erinnert auf den ersten Blick an die weiße Taubnessel, von der sie aber schon durch den auffälligen zitronenartigen Geruch unterscheidet. Die Blüten besitzen einen zweilippigen Kelch und eine weiße, meist bläulich überlaufene Krone mit einer relativ langen Kronröhre.

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Literatur: Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis, Band 6, Drogen P-Z, Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1994, S. 810-821; M. Wichtl (Hrsg.), Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 1997; Monografie der Kommission E, Bundes-Anzeiger Nr. 228 vom 05.12.84 (Berichtigung 13.03.90); Europäisches Arzneibuch, Nachtrag 2001 und 5. Ausgabe, Grundwerk 2005; A. Mohrig, Melissenextrakt bei Herpes simplex - die Alternative zu Nucleosid-Analoga, Dtsch. Apotheker Ztg. 136, 1996, 4575-4580; W. Schultze, W. A. König, A. Hilkert, R. Richter, Melissenöle - Untersuchungen zur Echtheit mittels enantioselektiver Gaschromatographie und Isotopenverhältnis-Massenspektrometrie, Dtsch. Apotheker Ztg. 135, 1995, 557-577.


© Thomas Schöpke