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Passionsblumenkraut - Passiflorae herba [Ph. Eur. 5. Ausgabe, Grundwerk 2005]

Stammpflanze: Passiflora incarnata L. / Fleischfarbene Passionsblume [Fam. Passifloraceae / Passionsblumengewächse]. Synonyme: Granadilla incarnata MEDIK., Grenadilla incarnata MEDIK., Passiflora edulis SIMS var. kerii MAST., Passiflora kerii SPRENG.

Botanische Beschreibung der Stammpflanze: Ausdauernder, bis 10 m hoher Kletterstrauch. Der Stengel ist verholzt, an jüngeren Teilen er mehr oder weniger eckig, relativ dünn und grün, an älteren Pflanzenteilen mehr grau, rund und mit längsgestreifter Rinde. Die Laubblätter sind wechselständig angeordnet, gestielt, netzadrig und tief 3teilig gelappt. Der mittlere Lappen ist 6 bis 15 cm lang, die beiden seitlichen etwa 1/10 kürzer. Der Blattrand ist seicht einfach gesägt, die Behaarung der Blätter sehr fein, auf der Unterseite etwas stärker als auf der Oberseite, deutlich erkennbar aber nur auf dem Blattstiel und auf den Blattadern. Sowohl auf der Blattspreite als auch auf dem Blattstiel finden sich höckerförmige Nektarien. In den Achseln der Blätter entspringen zwei kleine Nebenblätter, die korkenzieherartig gewundenen Ranken und die bis zu 8 cm langen Blütenstiele, die stets nur eine Blüte tragen. Die Blüten sind radiärsymmetrisch, zwittrig und werden von einem Hüllkelch aus Hochblättern umgeben. Ihr Durchmesser beträgt 5 bis 9 cm. Kelch und Krone sind 5zählig, die Kelchblätter derb, außen grün, innen weiß, die Kronblätter feiner, weiß bis blassrötlich, auf den ersten Blick von den ähnlich gefärbten Kelchblättern jedoch kaum zu unterscheiden. Fertile Staubblätter 5, mit großen, gelb gefärbten Antheren. Zwischen Kron- und Staubblättern zahlreiche Staminodien, an der Basis grünlich, in der Mitte plötzlich die Farbe wechselnd nach blauviolett. Fruchtblätter 3, synkarp, Fruchtknoten oberständig, mit 1 Griffel, der sich jedoch recht schnell in die drei Narbenschenkel teilt. Frucht eine ovale, ca. 6 cm lange, gelblich bis blassorange gefärbte, essbare Beere, die zahlreiche, 5 bis 8 mm große, gelb bis bräunlichgelb gefärbte Samen enthält.

Verbreitung: Warmgemäßigtes und tropisches Nord-, Mittel- und Südamerika. In den südöstlichen Staaten der USA, auf den Bermudas und den Antillen, in Mittelamerika sowie in Brasilien und Argentinien.

Droge: Das ganze oder geschnittene, getrocknete Kraut, welches Blüten und/oder Fruchtanteile enthalten darf, mit einem Mindestgehalt an Flavonoiden von 1,5 Prozent, bezogen auf die getrocknete Droge und berechnet als Vitexin.

Beschreibung der Droge: Der graugrün, grün oder bräunlichgrün gefärbte Stengel ist rundlich, hohl und längsgestreift, gewöhnlich bis 5 mm, seltener bis 8 mm dick. Der Bruch ist grobporig. Dünnere Stengelstücke enthalten ein weißgraues Mark. Die Behaarung ist spärlich und meist nur unter der Lupe zu erkennen. Die Laubblätter sind meist tief dreilappig geteilt. Die Blattspreite ist 6 bis 15 cm lang und etwa ebenso breit und besonders auf der Unterseite fein behaart. Der Blattrand ist einfach gesägt. Der Blattstiel ist bis 15 cm lang, gefurcht und oft verdreht. Am Grunde sind zwei 2 bis 8 mm lange, hinfällige Nebenblätter und oberseits zwei höckerartige Nektarien vorhanden. In den Blattachseln entspringt eine runde, glatte und unverzweigte Ranke, die am Ende korkenzieherartig eingerollt ist, und die einen 5 bis 9 cm langen Stiel aufweisende Blüte. Umgeben werden die Blüten von 3 zugespitzten Hochblättern mit papillösem Rand und 2 seitlichen randständigen Höckern. Die Blüte besteht aus 5 Kelch-, Kron- und fertilen Staubblättern und einem Fruchtknoten, dem ein kurzer Griffel entspringt, der sich rasch in drei Äste mit jeweils einer Narbe aufspaltet. Die Kelchblätter sind derb, außen grün und innen weißlich, die Kronblätter meist weiß, selten blasslavendelfarben. Zwischen Staubblättern und Kronblättern finden sich zahlreiche weiße und purpurrote, fädige Staminodien (im Arzneibuch als Nebenkronblätter bezeichnet).

Geruch und Geschmack: Geruch schwach aromatisch, Geschmack uncharakteristisch fade.

Synonyme Drogenbezeichnungen: Passionskraut.

Herkunft: Überwiegend aus dem Anbau in den USA sowie in Indien, gelegentlich auch Südeuropa.

Inhaltsstoffe: Flavonoide: Gehalt etwa 1,0 bis 2,5 %. Ausschließlich C-Glykoside der Flavone Apigenin und Luteolin mit den Hauptkomponenten Isoorientin, Isoorientin-2"-glucosid, Isovitexin, Vicenin-2, Vicenin-2"-glucosid, Lucenin-2, Schaftosid, Isoschaftosid sowie in geringen Konzentrationen Orientin, Vitexin, Swertisin und Isoscoparin-2"-O-ß-D-glucopyranosid. Saponarin vermutlich fehlend. Entgegen früherer Angaben kommen Harman-Alkaloide (Harman, Harmamol, Harmalin u. a.) nur in Spuren vor oder fehlen vollständig. In Spuren ferner ätherisches Öl und das cyanogene Glykosid Gynocardin.

Wirkungen: Der Droge wird eine sedierende und anxiolytische sowie eine blutdrucksenkende Wirkung zugeschrieben. Tierexperimentelle Daten deuten auf eine motilitätshemmende Wirkung hin. Allerdings ist infolge unzureichender Versuchsanordnung und Dokumentation sowie widersprüchlicher Resultate die Aussagekraft zahlreicher Versuche zweifelhaft. In kürzlich durchgeführten Tierexperimenten und in einer klinischen Studie erfolgte ein Nachweis der anxiolytischen Wirkung. In einer weiteren klinischen Studie zeigte sich ein positiver Effekt auf die mit dem Opiatentzug verbundenen psychischen Symptome.

Anwendungsgebiete: Nervöse Unruhezustände, leichte Einschlafstörungen, nervös bedingte Beschwerden im Magen- und Darmbereich.

Volkstümliche Anwendungsgebiete: Die Anwendungsgebiete in der Volksheilkunde entsprechen den zuvor genannten. Genannt werden u. a. Schlaflosigkeit, nervlich bedingte Überreizung, Depressionszustände und Hysterie, im angelsächsischen Raum zudem nervöse Tachykardie.

Gegenanzeigen: Keine bekannt.

Unerwünschte Wirkungen: Keine bekannt. Vereinzelt wird eine leicht laxierende Wirkung beschrieben.

Wechselwirkungen mit anderen Mitteln: Keine bekannt.

Dosierung und Art der Anwendung: Insbesondere in Kombinationspräparaten gemeinsam mit Baldrianwurzel, Hopfenzapfen und Melissenblättern. Tagesdosis 4 bis 8 g Droge, Zubereitungen entsprechend. Zur Teebereitung wird 1 Teelöffel voll fein geschnittener Droge (ca. 2 g) mit kochendem Wasser übergossen und nach 10 bis 15 min durch ein Teesieb gegeben. Etwa 2 bis 3 Tassen Tee werden tagsüber oder vor dem Schlafengehen getrunken.

Sonstige Verwendung: Neben der genannten inneren Anwendung auch bei Unruhezuständen als Bestandteil pflanzlicher Badezusätze.


Bilder: Foto der Blüte, Farbzeichnung der blühenden Pflanze (Zum Betrachten der Bilder ist eine online-Verbindung erforderlich!)


Literatur: Akhondzadeh S, Kashani L, Mobaseri M, Hosseini SH, Nikzad S, Khani M, Passionflower in the treatment of opiates withdrawal: a double-blind randomized controlled trial, J. Clinical Pharmacy and Therapeutics 26 (2001): 369-373; Akhondzadeh S, Naghavi HR, Vazirian M, Shayeganpour A, Rashidi H, Khani M, Passionflower in the treatment of generalized anxiety: a pilot double-blind randomized controlled trial with oxaxepam, J. Clinical Pharmacy and Therapeutics 26 (2001): 363-367; Dhawan K, Kumar S, Sharma A, Anti-anxiety studies on extracts of Passiflora incarnata L., J. Ethnopharmacology 78 (2001): 165-170; Dhawan K, Kumar S, Sharma A, Anxiolytic activity of aerial and underground parts of Passiflora incarnata, Fitoterapia 72 (2001): 922-926; Dhawan K, Kumar S, Sharma A, Comparative biological study on Passiflora incarnata and P. edulis, Fitoterapia 72 (2001): 698-702; Deutsches Arzneibuch 1999; Kommentar zum DAB 10, 4. Lieferung 1994; Europäisches Arzneibuch, 5. Ausgabe, Grundwerk 2005; Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis, Band 6, Drogen P-Z, Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1994; Marchart E, Krenn L, Kopp B, Quantification of the flavonoid glycosides in Passiflora incarnata by capillary electrophoresis, Planta Med 69 (2003) 452-456; Monografie der Kommission E, Bundes-Anzeiger Nr. 223 vom 30.11.1985 und Nr. 50 vom 13.03.1990; Wichtl M (Hrsg.), Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 1997.


© Thomas Schöpke